Massive Kritik am Klimaschutzgesetz
Der Deutsche Bundestag hat in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause unter anderem auch eine Änderung des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Anlass war ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021, in dem die obersten Bundesrichter die gesetzlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz für zu wenig konkret befunden haben, so dass spätere Generationen in ihren Freiheiten vollkommen beschränkt worden wären, um die in Art. 20c Grundgesetz festgesetzten Klimaschutzziele einzuhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, konkrete und weitergehende CO2-Minderungsvorgaben für die verschiedenen Wirtschaftssektoren bis Ende des Jahres 2022 gesetzlich festzulegen.
(https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html)
Die bevorstehende Bundestagswahl im Genick, haben die Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag unter großem Zeitdruck die vom Bundesverfassungsgericht aufgetragenen Konkretisierungen des Klimaschutzgesetzes noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt.
Am 24. Juni hat die Mehrheit der Abgeordneten von CDU/CSU und SPD im Bundestag die Änderung des Klimaschutzgesetzes beschlossen. Mit dem Gesetz wird das Ziel der Klimaneutralität auf das 2045 vorgezogen. Der Weg dahin wird mit verbindlichen Zielen für die 20er und 30er Jahre festgelegt. Das Zwischenziel für 2030 wird von derzeit 55 auf 65 Prozent Treibhausgasminderung gegenüber 1990 erhöht. Für 2040 gilt ein neues Zwischenziel von 88 Prozent Minderung. Die Klimaschutzanstrengungen werden so bis 2045 fairer zwischen den jetzigen und künftigen Generationen verteilt.
Entwürfe und Zielvorgaben für die Reduktion von CO2-Emissionen in den verschiedenen Wirtschaftssektoren wurden von der Bundesregierung in wenigen Wochen „aus dem Hut gezaubert“. Der Entwurf zur Änderung des Klimaschutzgesetzes wurde vom Bundeskabinett am 12. Mai beschlossen und dem Bundestag zur Beratung zugeleitet. Experten und Verbände erhielten nur wenige Tage Zeit für Stellungnahmen und Anhörungen.
Klimaschutzgesetz führt zu umfangreicher Beschränkung des Holzeinschlags
Am 22. Juni hat der wissenschaftliche Waldbeirat beim Bundeslandwirtschaftsministerium, dem 14 namhafte Professoren angehören, den Gesetzentwurf scharf kritisiert (siehe Anlage). Dem Sektor „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ hat der Gesetzgeber Zielvorgaben auferlegt, 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bis zum Jahr 2030 zusätzlich zu kompensieren und diese Senkenbilanz auf mindestens minus 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bis zum Jahr 2045 zu steigern, um die Emissionen anderer Sektoren auszugleichen. Die langfristige Kohlenstoffbindung in Holzprodukten und der CO2-Minderungseffekt durch Substitution energieintensiver Materialien durch Holz werden dem Landnutzungssektor im Klimaschutzgesetz aber nicht zugerechnet. Nach Einschätzung der Wissenschaftler kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn zwischen 47 und 58 Prozent des Holzeinschlages in den Wäldern Deutschlands im Wald stehen bleiben und sich der Kohlenstoffvorrat im stehenden Holz akkumuliert.
Der Waldbeirat fordert den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung auf, die Folgen einer solchen Zielvorgabe auf die nachhaltige Forstwirtschaft umfassend abzuschätzen. Eine Verlagerung von Klimaproblemen ins Ausland, z.B. aufgrund steigender Holzimporte, muss vermieden werden. Eine Fixierung auf nationale Sektorziele reicht deshalb nicht aus. Vielmehr müssen Wirkungen von Maßnahmen sektorübergreifend und über die Grenzen Deutschlands hinweg bewertet werden. Ebenso müssen Konflikte mit anderen Nachhaltigkeitszielen (z. B. Erhalt der Biodiversität) berücksichtigt werden.
Der Gesetzentwurf wurde mit 351 Ja-Stimmen und 290 Nein-Stimmen verabschiedet. Zehn Abgeordnete der CDU-Fraktion enthielten sich der Stimme, 10 CDU/CSU-Fraktionsmitglieder stimmten gegen den Gesetzentwurf.
Ein Änderungsantrag der FDP, der ausdrücklich die Anrechnung des Produktspeichers langlebiger Holzprodukte und des CO2-Reduktionseffektes durch den Ersatz fossiler durch nachwachsende Produkte auf die Reduktionsverpflichtungen des Landnutzungssektors fordert, wurde abgelehnt.
Auch ein Änderungsantrag der Grünen im Bundestag zum Gesetzentwurf wurde abgelehnt. Die Grünen haben unter anderem gefordert, „sicher auszuschließen, dass Senken (CO2-Speicherung durch Wälder oder Böden) im Rahmen des LULUCF Sektors (Land Use, Land-Use Change and Forestry) auf die nationalen Minderungsziele im vorliegenden Klimaschutzgesetz angerechnet werden können um zu verhindern, dass so ein Hintertür entsteht, gegebenenfalls Ziele auch durch eine Anrechnung von Senken zu erreichen, denn eine solche Anrechnung wäre eine Wette auf die Zukunft mit unsicherem Ausgang.“
Der Hessische Waldbesitzerverband hatte alle 54 Bundestagsabgeordnete aus Hessen angeschrieben, um ihnen die fatalen Wirkungen des Gesetzentwurfs vor der Abstimmung im Bundestag zu verdeutlichen und sie zu einer Änderung zu bewegen. Bei den Regierungsfraktionen blieben der Aufruf und zahlreiche Gespräche erfolglos.
Das Klimaschutzgesetz muss in der nächsten Legislaturperiode geändert werden. Bis dahin müssen viele Gespräche mit Abgeordneten geführt werden, um die Meinung durch fundierte Sachinformation zu ändern. Die langfristige Bindung des CO2 in Holzprodukten und der Substitutionseffekt des Holzes ist untrennbar mit einer nachhaltigen Nutzung der heimischen Wälder verbunden. Der Gesetzgeber hat für Rahmenbedingungen zu sorgen, die eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes und damit seine vielfältigen Leistungen für Umwelt, Gesellschaft und die Wirtschaft sichern. Das am 24. Juni beschlossene Klimaschutzgesetz bewirkt genau das Gegenteil.
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